ANWENDUNGSBERICHT
Mit der neuen Norm IEC 61000-4-30 Klasse A ist die Wahl eines geeigneten Netzqualitätsmessgerätes kein Rätselraten mehr.
Die Messung, Protokollierung und Analyse der Netzqualität ist ein relativ junges und sich schnell entwickelndes Fachgebiet. Während für grundlegende Messungen elektrischer Größen, z. B. Effektivwerte von Strom und Spannung, die Messparameter exakt definiert sind, gilt dies für viele Netzqualitätsparameter nicht. Diese Tatsache hat viele führende Hersteller veranlasst, eigene Algorithmen zur Messung dieser Netzqualitätseigenschaften zu entwickeln. Infolgedessen existieren weltweit hunderte unterschiedlicher Messverfahren.
Diese Vielfalt bei den Messgeräten führt dazu, dass Techniker und Ingenieure oft zu viel Zeit damit verbringen, die Funktionen und die Messalgorithmen eines Gerätes zu verstehen, anstatt sich mit der Netzqualität an sich zu beschäftigen. Eine Vereinheitlichung der Messverfahren schafft die Voraussetzungen, um unabhängig vom jeweiligen Messgerät die Messergebnisse direkt vergleichen zu können.
Die Norm IEC 61000-4-30 Klasse A legt für jeden Netzqualitätsparameter die Messverfahren, die zeitliche Aggregation, Genauigkeit und Auswertung fest, um zuverlässige, wiederholbare und vergleichbare Ergebnisse erzielen zu können. Darüber hinaus legt die Norm IEC 62586 (Messung der Spannungsqualität in Energieversorgungssystemen) den Mindestumfang an Parametern fest, der bei Netzqualitätsmessgeräten vorhanden sein muss, die zu Messungen an ortsfesten und transportablen Anlagen eingesetzt werden.
Da immer mehr Hersteller Messgeräte und Analysatoren gemäß den Anforderungen von IEC 61000-4-30 Klasse A herstellen, können Techniker den durchgeführten Messungen auch mehr vertrauen. Alle diese Gesichtspunkte tragen zur Erhöhung von Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Vergleichbarkeit und Effizienz bei der Erledigung der Arbeitsaufgaben bei. Die Norm wird in regelmäßigen Abständen aktualisiert, sobald neue Entwicklungstendenzen und Messszenarien erkennbar oder notwendig werden. Seit ihrer Einführung im Jahr 2003 wurde die Norm mehrfach aktualisiert. Aktuell ist gegenwärtig die Ausgabe 3 (2015).
Beispiele von Anforderungen nach Klasse A
Die Messunsicherheit der Versorgungsspannung ist auf 0,1 % der deklarierten Eingangsspannung Udin im Bereich von 10 % bis 150 % von Udin festgelegt. Zu beachten ist, dass in vielen Fällen lediglich die Genauigkeit beim Bereichsendwert angegeben ist. Während hierbei eine Genauigkeit von 0,1 % relativ leicht zu erreichen ist, ist dies über einen breiten Bereich hinweg ungleich schwieriger.
Außerdem ist in dieser Anforderung festgelegt, dass die Messung bei 50-Hz- und 60-Hz-Netzen „fortlaufend und nicht überlappend“ in einem Zeitraum von 10 bzw. 12 Perioden vorgenommen werden muss. Dies ist bei den Herstellerangaben von besonderer Bedeutung, da Geräte mit einer hohen Messunsicherheit unter Umständen Messergebnisse liefern, die entweder vom Energieversorgungsunternehmen oder von dessen Kunden angezweifelt werden.
Beispielsweise weisen kostengünstige Netzqualitätsmessgeräte bei Messungen im unteren Teil des Bereichs oftmals höhere Unsicherheitswerte auf (Beispiel: Messung bei einem Spannungswandler mit einer Spannung zwischen Phasen- und Neutralleiter von 58 V). Außerdem bleiben Messwertschwankungen bei nicht fortlaufender Messung eventuell unbemerkt. Diese Fehler können dazu führen, dass eine defekte Anlagenkomponente als ordnungsgemäß funktionierend angesehen wird. Bei einem nach Klasse A zertifizierten Messgerät kann der Techniker sicher sein, dass seine Messungen nach international anerkannten Messunsicherheitswerten eingestuft werden. Das ist insbesondere dann von Interesse, wenn die Einhaltung von Vorschriften überprüft oder Messwerte mehrerer Messgeräte oder Messgerätenutzer miteinander verglichen werden sollen. Funktionsprüfungen und Anforderungen an die Messunsicherheit bei Messgeräten der Klasse A sind in der Norm IEC 62586-2 enthalten.
Mit der Norm IEC 61000-4-30 Klasse A werden die folgenden Messungen vereinheitlicht:
- Netzfrequenz
- Höhe der Versorgungsspannung
- Flicker (unter Berücksichtigung der Norm IEC 61000-4-15)
- Spannungseinbrüche und -überhöhungen
- Spannungsunterbrechungen
- Unsymmetrie der Versorgungsspannung/li>
- Spannungsoberschwingungen und Zwischenharmonische (gemäß Norm IEC 61000-4-7)
- Spannung von Rundsteuersignalen
- schnelle Spannungsänderungen
- Höhe des Stroms
- Stromoberschwingungen und Zwischenharmonische (gemäß Norm IEC 61000-4-7)
- Stromunsymmetrie
Spannungseinbrüche, -überhöhungen und -unterbrechungen müssen während einer ganzen Periode gemessen und in jeder Halbperiode aktualisiert werden. Auf diese Weise kann das Messgerät die hohe Auflösung der bei Halbperioden gemessenen Datenpunkte mit der Genauigkeit der Effektivwertberechnungen für ganze Perioden kombinieren. Die alleinige Berücksichtigung von Messungen über die gesamte Periode kann zu Fehlinterpretationen korrekter Bedingungen führen, während bei ausschließlicher Verwendung von Halbperiodenwerten eventuell die Genauigkeit nicht ausreicht, um die Ursachen möglicher Probleme zu verstehen.
Aggregationsfenster dienen zur Anzeige komprimierter Messdaten in vorgegebenen Zeiträumen. An einem Messgerät der Klasse A müssen Daten in den folgenden Übersichtsfenstern angezeigt werden:
- Das Messintervall beträgt 10 bzw. 12 Perioden bei 50 bzw. 60 Hz (~200 ms). Zu beachten ist, dass sich die Intervallzeit mit der tatsächlichen Frequenz ändert.
- 150 bzw. 180 Perioden (~3 s) bei 50 bzw. 60 Hz. Zu beachten ist, dass sich die Intervallzeit mit der tatsächlichen Frequenz ändert.
- 10-Minuten-Intervall, synchronisiert mit der koordinierten Weltzeit (UTC)
- 2-Stunden-Intervall für Langzeit-Flicker (Plt)
Eine externe Zeitsynchronisierung wird benötigt, um exakte Zeitstempel zu erhalten, die zur genauen Zuordnung von Daten unterschiedlicher Messgeräte erforderlich sind. Unabhängig vom Zeitintervall beträgt die Genauigkeit bei 50-Hz-Geräten ± 20 ms und bei 60-Hz-Geräten ± 16,7 ms. Um diese Genauigkeit zu erreichen, sind entweder eine über einen GPS-Empfänger gesteuerte GPS-Uhr oder NTP (Network Time Protocol) über Ethernet erforderlich. Falls die Synchronisierung mithilfe eines externen Signals nicht möglich ist, darf die Zeitabweichung in einem Zeitraum von 24 Stunden maximal ± 1 s betragen. Bei dieser größeren Toleranz ist jedoch nicht feststellbar, ob die Messwerte den Anforderungen nach Klasse A entsprechen. Das Fehlen exakter Zeitstempel bei kostengünstigeren Netzqualitätsmessgeräten erschwert unter Umständen erheblich das Auffinden der wirklichen Ursache von Netzqualitätsproblemen. Das führt eventuell dazu, dass sich die Ausbreitung von Spannungsereignissen im Energieversorgungsnetz beim Einsatz mehrerer Messgeräte nicht exakt feststellen lässt.
Der FFT-Algorithmus zur Analyse von Oberschwingungen ist unter Berücksichtigung enger Grenzwerte definiert, sodass mit allen Messgeräten der Klasse A dieselben Höhen der Oberschwingungen gemessen werden. Das FFT-Verfahren lässt unendliche Algorithmen zu, sodass bei fehlenden Vorgaben enorme Unterschiede bei den Höhen der Oberschwingungen gemessen werden. Nach Klasse A wird gefordert, dass Oberschwingungen mit demselben Intervall von 10 bzw. 20 Perioden wie die Effektivwerte nach IEC 61000-4-7/2008, Klasse I, gemessen werden, wobei ein lückenloses Verfahren zur Messung von Oberschwingungs-Untergruppen eingesetzt wird. In IEC 61000-4-7 sind mehrere Verfahren und Algorithmen zur Messung von Oberschwingungen beschrieben, aber in der Norm IEC 61000-4-30 wird ausdrücklich das Messverfahren für Untergruppen nach Klasse I vorgeschrieben
Jede dieser Anforderungen nach Klasse A spielt für den Anwender eine wichtige Rolle bei der Erfassung genauer, zuverlässiger und vergleichbarer Daten, die bei Netzqualitätsproblemen letztlich zu einer besseren Analyse und Fehlersuche führen. Bei Messgeräten, die nicht der Klasse A entsprechen, ist ein Vergleich der Messergebnisse nicht ohne Weiteres möglich.
Im Gegensatz hierzu liefern Messgeräte der Klasse A dem Techniker konsistente und vergleichbare Messwerte, die zur exakten Analyse auch komplizierter Netzqualitätsprobleme unerlässlich sind. Sowohl Energieversorger als auch Energieverbraucher müssen in der Lage sein, die Qualität der gelieferten Energie zu überprüfen und zu ermitteln, ob Netzqualitätsprobleme interne oder externe Ursachen haben.
Nur speziell auf die Erkennung, Aufzeichnung und Analyse von Netzqualitätsparametern ausgelegte Messgeräte können die detaillierten Informationen liefern, die zur Lokalisierung von Störungsquellen und zur Problemdiagnose benötigt werden. Und außerdem können der Klasse A entsprechende Messdaten bei Rechts- oder Vertragsstreitigkeiten als Beweis angeführt werden. Umso wichtiger ist der Einsatz von Messgeräten dieser Kategorie.
Dreiphasige Netzqualitätslogger Fluke 1742, 1746 und 1748